Aber der Reihe nach! Eingangs stand die Anmeldung zu einem Lipizzaner-Ritt. Die freundliche Stimme am Telefon animierte mich zu einem kleinen Gespräch. Die ganze Familie hatte sich der Reiterei verschrieben. Nicht dass die Eltern, müßig des Wartens auf ein erwachendes Interesse der Kinder am Reiten, mehr wollten, als die Pferde einfach nur halten. Nein, die Familie hatte von sich aus beschlossen, gemeinsam einen Teil ihrer Freizeit gemeinsam verbringen zu wollen. Die Wahl fiel dann auf das Reiten. Hut ab, dachte ich mir, welch weitsichtige Entscheidung.
Dann, kurz danach, erhalte ich eine Anfrage wegen eines Säumerkurses. Diese Familie, mittlerweile angewachsen um zusätzlich zwei Mulis, säumt schon seit Längerem. Meine Nachfrage zu diesem gemeinsamen Hobby wird mir mit dem lapidaren Satz erklärt, „…so kriegt man die Kinder in die Berge!“.
Und dann waren da noch, wenige Tage danach, Fotos von meinem Säumerkollegen aus der Schweiz, die ich auf gar keinen Fall für mich behalten wollte. Mir fiel dazu spontan ein Märchen von den Gebrüdern Grimm ein – auch da folgt am Ende eine Horde Kinder einem Einzelnen, der da allerdings die Flöte bläst...
Nun fehlte also zu den ganzen Fotos und Gesprächen nur noch eine gemeinsame Überschrift. Aber wie ihr schon gelesen habt, ist die mir dann auch noch eingefallen.
„Kinder und Pferde“ - oder sollte ich schreiben „Mädchen und Pferde“ - ein Selbstläufer? Ja - wenn man sich um nichts, außer dem Taxidienst und der pekuniären Ausstattung der kleinen Prinzessin kümmern möchte! Zum Trost wechselt ja später das Interesse am Felltier irgendwann zu einem zweibeinigen Gefährten. Und Mutter und Vater haben dieses Abenteuer dann auch glücklich ausgesessen.
Nein, diesem geringen Anspruch möchte ich jetzt nicht nachgehen. Ich denke da eher an Gemeinsamkeiten, die wir mit unseren Kindern haben wollen. Mit dem pädagogischen Hintergedanken an Wertevermittlung, darf ich das so schreiben?
Unsere Kinder wachsen manchmal wie in einem Gewächshaus auf: wohl behütet vor allen möglichen Unbillen dieses Lebens, desinfiziert, durchgestylt und genormt. Leben wie auf einem Spielplatz, eingezäunt und den Unfallverhütungsvorschriften untergeordnet. Wollen die das denn eigentlich? Ist so das spätere Leben als Erwachsener auch geformt?
Wohl eher nicht! Kinder haben eine großen Drang nach draußen: Kräfte messen, Grenzen ausloten, Sehnsucht und auch das Bedürfnis, sich in der Natur zurecht zu finden. Den Erwachsenen gleichgestellt sich neuen Regeln zu stellen. Was gibt es da Besseres, als gemeinsam die soziale Verantwortung für ein Pferd zu übernehmen? Sich neuen Abenteuern zu stellen, den Bedürfnissen des Tieres an erster Stelle nachzukommen und die eigenen auch mal zurück zu stellen?
Pferde und Kinder bilden eine intensive Symbiose. Beide verdienen Respekt, Achtung und Anerkennung und reagieren sehr sensibel auf Motivation, Vertrauen und Lob. Sie spiegeln einander wie die ruhige Wasseroberfläche eines Sees. Vielleicht ist dass das Geheimnis dieser unglaublichen Verbindung zwischen Kindern einerseits und den Pferden auf der anderen Seite?
Von kompetenter Seite hörte ich folgendes zum Thema, was die Sache meiner Meinung nach genau auf den Punkt bringt:
„Wenn unsere Kinder ihre Freizeit mit Pferden in der Natur verbringen dürfen, verschmelzen sie mit dieser, sie werden ein Teil des Ganzen und machen ganz neue Erfahrungen. Alle dem Menschen angeborenen Fähigkeiten können zum Einsatz kommen: Freude an der Bewegung, Neugierde, die eigenen Grenzen erfahren, Balance, Ausdauer, Reaktionsschnelligkeit, soziale- wie auch fachliche Kompetenzen werden gefördert und kommen ans Tageslicht, Unterricht im Naturklassenzimmer ist nicht frontal, einseitig, sondern unglaublich vielschichtig und findet auf verschiedensten Ebenen statt. Diese jungen Menschen lernen von den Erwachsenen, von den Tieren, von den anderen Teilnehmern und den durchlebten Situationen, dies mit allen Sinnen.“
Je mehr ich mich mit diesem Thema befasse, umso mehr bin ich der Überzeugung, dass wir mit unseren Pferden einen idealen Wertevermittler für unsere Kinder gefunden haben. Was allerorten zu fehlen scheint, ist letztendlich die Bereitschaft, unsere Zeit auch mit unseren Kindern teilen zu wollen. Nicht als Erziehungsberechtigter, sondern als ausgewachsenes „Kind“ - allzeit bereit, sich in gemeinsame Abenteuer zu stürzen. Und sei es das, gemeinsam die Berggipfel zu erstürmen. Andere machen uns das vor!
Zu guter letzt danke ich René, Ulrike, Tina, Karin und Helmut für ihre Fotos, Inspirationen und Beiträge zu diesem Artikel.
Bjørn Rau
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